Kennen Sie solche Gespräche?
„Meine Knieschmerzen werden immer schlimmer“, sagt der vollschlanke Mann am Nebentisch. „Ich kann kaum noch Treppen steigen.“
„Da brauchst du mir nichts zu sagen“, erwidert sein kurzatmiger, schnauzbärtiger Tischnachbar, „mit Schmerzen kenne ich mich aus. Ich habe seit einer Woche Rücken und halte es nur mit Wärmepflaster und Medikamenten aus!“
„Ja“, seufzt der dritte im Bunde, ein hagerer Mann in den besten Jahren, der an einen Marathonläufer erinnert. „Das Alter schlägt erbarmungslos zu. Ich kann nachts nicht mehr durchschlafen und wache häufig mit Herzrasen auf und denke, mein letztes Stündchen hat geschlagen. Die Schlaftabletten, die mir mein Arzt verordnet hat, helfen auch nicht.“
Der eine nimmt einen großen Schluck seines Hefeweizens, der andere schneidet ein großes Stück Fleisch von seinem Steak ab und steckt sich genüsslich in den Mund.
„Eure Sorgen möchte ich haben“, meldet isch plötzlich der vierte Mann am Tisch. „Ich habe Cholesterin!“
„CHOLESTERIN?“, schreien die drei Herren am Tisch unisono entsetzt auf.
Mir stockt der Atem. Cholesterin?! Ich schaue von meinem vegetarischen Gericht auf, das wohl geordnet auf meinem Teller liegt, und dem etwas Cholesterin nicht schaden würde.
Es ist mucksmäuschenstill im Restaurant. So, als ob jeder Gast bei dem Wort „Cholesterin“ in gespanntes Schweigen versunken sei. Den Herren an meinem Nebentisch hat es die Sprache verschlagen. Sie starren ihren Freund an.
„Wo zum Teufel hast du dir denn das Cholesterin eingefangen?“, fragt endlich einer von ihnen. „Dagegen musst du sofort etwas tun!“ Ich schaue mir den Cholesterin-Mann näher an. Er sieht doch ganz gesund aus, denke ich. Normalgewichtig, gesunde Gesichtsfarbe, ca. 60 Jahre alt und volles, leicht ergrautes Kopfhaar. Das Cholesterin steht ihm aber gut, denke ich so im Stillen.
Okay, ich gebe es zu:
Diese Geschichte ist frei erfunden. Aber viele von uns können aus Erfahrung sagen, dass sie solche – oder ähnliche – Gespräche schon gehört oder womöglich selbst geführt haben.
Cholesterin will uns Böses, will uns schaden, macht uns krank. Es muss mit aller Macht bekämpft werden. Ein jeder scheint zu wissen, was ein zu hoher Cholesterinspiegel vermeintlich anrichten kann. Aber was Cholesterin überhaupt ist und wofür unsere Körper Cholesterin benötigt, scheint den wenigsten Menschen bekannt zu sein. Ich möchte heute ein wenig Licht in dieses Dunkel bringen.
Was ist Cholesterin überhaupt?
Cholesterin, auch Cholesterol, ist ein „Blutfett“ (griechisch: χολή cholé = Galle, und στερεός stereós = fest) und ein in allen tierischen Zellen vorkommender Naturstoff. Der Name leitet sich davon ab, dass Cholesterin bereits im 18. Jahrhundert in Gallensteinen gefunden wurde. So, das hätten wir also geklärt.
Wie gelangt Cholesterin in unseren Körper?
- ca. 80 % produziert die Leber
- ca. 20 % wird über die Nahrung zugeführt
Und für was benötigt unser Körper Cholesterin?
Cholesterin ist die Grundsubstanz
- aller fettlöslicher Hormone (Cortisol, weibliche und männliche Sexualhormone, Aldosteron)
- der Gallensäure
- aller fettlöslichen Vitamine (E, D, K, A)
- der Mitochondrien (Kraftwerke in unserem Zellkern) und Membranen der Billiarden menschlicher Zellen
Verbraucht unser Körper immer das gesamte Cholesterin?
- Nein, es wird nicht das gesamte zur Verfügung stehende Cholesterin verbraucht
- überschüssiges, nicht benötigtes Cholesterin wird über den Darm ausgeschieden.
Was passiert, wenn zu wenig Cholesterin in unserem Körper ist?
Dann beginnt die Leber automatisch damit, mehr Cholesterin herzustellen, damit die Körperfunktionen aufrechterhalten werden können. Cholesterin wird zur Herstellung folgender Stoffe und Hormone benötigt:
- Cortisol (Herstellungsort: Nebennierenrinde)
- Gallensäuren (Herstellungsort: Leber)
- Vitamin D (Herstellungsort: Körper, Umwandlung: Haut durch Sonneneinstrahlung)
- Aldosteron (Herstellungsort: Nebennierenrinde)
- Sexualhormone (Herstellungsort: Hypothalamus/Hypophyse/Hoden/Eierstöcke)
Ein Mangel an Cortisol kann sich dadurch äußern, dass es Ihnen an Energie fehlt (chronisches Erschöpfungssyndrom bis Burnout), Ihre Herz-Kreislauf-Funktion und die Wundheilung gestört sind.
Ein Mangel an Gallensäuren kann Verdauungsbeschwerden aller Art hervorrufen, wie z. B. Darmträgheit, Verstopfung, Blähungen usw.
Ein Mangel an Vitamin D führt bei Kindern und Jugendlichen zu Wachstumsverzögerungen und bei Erwachsenen zu „sonstigen degenerativen Knochenerscheinungen“. Vitamin D sorgt auch dafür, dass unsere Knochen weder „entkalken“ (Osteoporose) noch „erweichen“ (Rachitis).
Ein Mangel an Aldosteron kann zu Herz-Rhythmus-Störungen (Notfall) und Nervenschäden (Notfall) führen, und die Behandlung gehört in die Hände eines Arztes. Zu wenig Aldosteron bewirkt eine Veränderung des Drucks in den Blutgefäßen und dem umliegenden Gewebe, es entstehen sichtbare Wassereinlagerungen (z. B. geschwollene Beine usw.).
Ein Mangel an Sexualhormonen kann zu Erektionsproblemen (erektile Dysfunktion) bis Impotenz des Mannes und zur Unfruchtbarkeit der Frau führen. Es kann außerdem Schlafstörungen hervorrufen, weil die Produktion der Sexualhormone aus dem Gleichgewicht gerät. Dieses Ungleichgewicht und das Fehlen der Sexualhormone führen zu einem Muskelabbau bei Männern wie auch bei Frauen, die Körperkraft schwindet.
Zitat: … Wenn Cholesterin der Grundbaustein der Steroidhormone ist, dann erscheint es logisch, dass Cholesterin sich erhöht, wenn mit zunehmendem Alter weniger Geschlechtshormone gebildet werden, denn es bleibt „unverarbeitet liegen“. Anders gedacht könnte ein erhöhter Cholesterinspiegel auch ein Signal für den Körper sein, dass er eigentlich mehr Geschlechtshormone bilden sollte, aber aus irgendwelchen Gründen nicht mehr tut oder tun kann…“ (Dr. med. Annelie Scheuernstuhl/HP Anne Hild, Natürliche Hormontherapie, 14. Aufl. 2016, S. 29)
Wenn ich dieses Zitat lese, stelle ich mir unweigerlich die folgende Frage:
Wenn also Cholesterin der Grundbaustein all der oben aufgeführten Stoffe und Hormone ist (und noch von vielen mehr), erscheint es da nicht auch logisch, dass das Cholesterin sich erhöht, wenn der Körper mehr von diesen Stoffen und Hormonen zur Aufrechterhaltung unserer lebensnotwendigen Körperfunktionen bilden muss?
Ich kann hier in der Kürze der Zeit nur einige der wichtigsten Zusammenhänge aufführen, aber ich hoffe dennoch, dass viele Informationen sehr hilfreich für Sie sind. Selbstverständlich können auch viele andere Ursachen dafür verantwortlich sein, dass unser Körper die oben genannten Stoffe und Hormone nicht richtig oder in ausreichender Form herstellen kann. Tatsache bleibt jedoch, dass Cholesterin immer benötigt wird.
Und zu guter Letzt noch eine Frage an Sie:
Welches Körperorgan – glauben Sie – benötigt am meisten Fett, um richtig arbeiten zu können?
Schwierig, denken Sie? Dann hier ein Tipp: Man sagt, es liebt „Studentenfutter“. Genau!
Unser Gehirn!
Unser Gehirn ist unser fettreichstes Organ.
Das heißt, es speichert mehr Fett als in unserem Blut zirkuliert.
Ich selbst stelle mir von Zeit zu Zeit die Frage, warum die Natur es so eingerichtet haben soll, dass unser eigener Körper einen Stoff herstellt, der (ab einer gewissen Konzentration) potentiell gesundheitsschädlich ist. Denn wir brauchen Cholesterin zum Leben, damit unsere Körperfunktionen erhalten bleiben. Ist die Hysterie um einen zu hohen Cholesterinwert unnötig? Was meinen Sie?
Wenn ich so darüber nachdenke, glaube ich, ich kaufe mir jetzt erst einmal eine Packung „Studentenfutter“…
Es grüßt Sie herzlich
Susanne Witschas
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